Man muss die Gedanken zu den Leuten bringen. Die Menschen sollen die abstrakten Überlegungen am eigenen Körper spüren. So tönt es in der akademischen Welt, in Aufsätzen und Hörsälen. Und richtig so!
Wir sind dieses Wagnis eingegangen, haben kluge Gedanken und gefühlvolles Theater zusammengebracht.
Schon 2018 bei der Langen Nacht des Wissens in Rostock haben wir einen Theater-Vortrag über die Borderline gehalten. Was ist das überhaupt? Welche Symptome muss man haben, um die Diagnose Borderline zu bekommen? Den geradlinigen Antworten des Diagnosekatalogs, vorgetragen von Victor haben wir die Erfahrungen und innersten Regungen einer Psychiaterin an die Seite gestellt, gespielt von Katharina.
Die Psychiaterin fühlt ihrer gerade entlassenen Patientin Alice nach. Genau die Alice, die so viel Wirbel in unser Theaterstück „Zerrissen und Beschützt“ bringt. So sehr fühlt die Therapeutin ihr nach, dass ein Gedicht entstanden ist: das Gedicht der Herzdame.
Etwa 1 Jahr später haben wir einen neuen Theater-Vortrag gehalten. Wir waren im Philosophischen Salon in der Nähe von Hildesheim, im Kloster von Lampringe in einem beeindruckenden Raum, dem Kalenderzimmer.
Rundherum waren Gemälde der personifizierten 12 Monate auf die Wand aufgetragen. Im Raum standen mehrere runde Tische, um den ca. 50 Zuschauenden Platz zu bieten. Und in einer Ecke des Raumes stand ein Rednerpult vor einer kleinen Bühne.
Dieses Mal hielt Katharina den Vortrag, es ging um das Fremde und das Zuhause. Und ganz besonders um das Dazwischen. Es ging um die Grenzen, die unseren Horizont bilden, und um die Schwellen, die wir auf unserem Lebensweg überschreiten. Dazu gab sie zwei besonderen Personen eine Stimme: dem biblischen Jakob, der am Ende seiner Fremdheitsgeschichte Israel heißen wird, und Nancy, einem französischen Philosophen, der mit Ende 40 ein Herz transplantiert bekommen hat.
Victor spielte als Fabian zu dem Vortrag Theaterszenen. Genau der Fabian, der sich in „Zerrissen und Beschützt“ in Alice verliebt. Auch er hat Borderline und im Kloster Lamspringe hat er sein Innerstes nach außen gekehrt. Er hat erzählt, dass er selbst für andere der Fremde ist, dass er sich selbst fremd ist, und wie die Diagnose ihn anderen entfremdet hat. Und dass er einfach mal irgendwo zu Hause sein will.